Dec
14
2012

ZUM 60. GEBURTSTAG VON TAMARA DANZ

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Sie war das Gesicht von Silly, und sie stand für eine bessere DDR. Als Honeckers Reich untergegangen war, machte sich Tamara Danz daran, ihren Platz in der Musikszene des wiedervereinigten Deutschlands zu finden. Am 22. Juli 1996 aber starb die gerade 43-jährige Sängerin in Berlin an Brustkrebs. Am heutigen Freitag wäre sie 60 Jahre alt geworden. 
von Ernst Hofacker 

Zehn lange Jahre brauchten Silly, um sich überhaupt erst vorstellen zu können, mit einer anderen Sängerin zu arbeiten. Das mag illustrieren, wie sehr diese Band ihre Identität Tamara Danz verdankte und wie sehr Tamara Danz tatsächlich Silly war.

Sie gehörte nicht zu den zarten Pflänzchen, die bei jedem Windstoß umkippen. Tamara Danz war das, was man eine starke Frau nennt. Sie hatte was es braucht, um auf einer Bühne zu bestehen: eine kraftvolle Stimme und, auch das sei angemerkt, die Kurven dort, wo frau sie haben sollte; nicht zuletzt verfügte sie über einen Sinn für gelegentlich ins Dramatische kippendes Styling. Die Augenbrauen zog sie beim Vortrag ernst nach oben, als wäre ihr nur zu bewusst, dass jeder da draußen zwischen den Zeilen, in den Nuancen ihres Gesangs Signale suchte, die außer Silly keiner zu senden wusste. Ein bisschen Tina Turner also, eine  Prise Jeanne d’Arc und eine sehr unsozialistische Portion Glamour kamen da zusammen. Sie war deutlich mehr Rock’n’Roll als man das von der biederen Konkurrenz im Arbeiter- und Bauernstaat gewöhnt war. Und sie war eine perfekte Projektionsfläche für ein Publikum, das in ihr gleichermaßen die Mutter Courage wie die sensible Poetin und sinnliche Symbolfigur des DDR-Rock sah. Silly waren Stars, und sie waren es dank Tamara Danz.

1978 war die Band gegründet worden, und noch im selben Jahr war die am 14. Dezember 1952 im thüringischen Winne geborene Tochter eines Maschinenbauingenieurs und einer Kindergärtnerin dazu gestoßen. Es brauchte ein paar Jahre, bis Silly ihre Stimme gefunden hatten, 1982 aber legten sie richtig los. Songs wie „Mont Klamott“, „Bataillon d’Amour“ und „Verlorene Kinder“ wurden zu Hymnen der desillusionierten DDR-Jugend, die – im Unterschied zu den Betonköpfen der Zensurbehörden – die Symbolik und die unterschwelligen Botschaften der Silly-Texte entschlüsseln konnte. Als die DDR dann zu Beginn der 1990er Jahre Vergangenheit geworden war, versuchten Silly Fuß zu fassen im wiedervereinigten Vaterland, mussten aber schnell feststellen, dass die Kämpfe die selben geblieben waren. War die Freiheit vorher durch politische Zensur eingeengt worden, so waren es nun die Zwänge einer kommerzorientierten Show-Industrie, die Silly – und all den anderen „Ossi“-Acts – zusetzten. Danz und die Ihren zogen die Konsequenzen und machten sich unabhängig. In Münchehofe bei Berlin bauten sie ihr eigenes „Danzstudio“, wo sie nun zunehmend auch als Produzenten in Erscheinung traten.

Während der Aufnahmen zum vielleicht schönsten Silly-Album, „Paradies“, wurde bei Tamara Danz Brustkrebs diagnostiziert. Sie erlag den Folgen der Krankheit am 22. Juli 1996.

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