In der damaligen DDR geboren und später in den Westen (zwangs-) übersiedelt, hat sie 1978 mit ihrer Nina Hagen Band zuerst die Deutschrockszene erschüttert und ganz neu aufgemischt und danach auf internationalem Boden das Terrain besetzt. Wer heute von Punk und Rockstars redet, insbesondere von weiblichen, wird nicht lange brauchen, um ihren Namen zu finden, gilt sie doch als Vorzeige-Rockerin, als Punk-Role-Model und Stilikone.
Begonnen hat ihre Karriere bereits vor dem einschlägig als „Debüt“ gehandelten Album mit der Nina Hagen Band in der musikalisch wenig beachteten DDR. Zwar nicht in aller Stille, denn unter Landsleuten konnte sie bereits einige Hits verbuchen, aber in der Abgeschiedenheit eines sich abschottenden sozialistischen Staates und damit außerhalb des Fokus der restlichen (Musik-) Welt.
Die Ausbürgerung des politisch engagierten Songwriters Wolf Biermann, der quasi zur Familie Hagen um die Schauspielerin Eva-Maria Hagen und deren Tochter Nina zählte, führte dann in der Konsequenz auch zum Wohnort, Land und Systemwechsel für Nina Hagen – und alles am selben Ort, von Berlin nach Berlin.
Nina HagenDie DDR-Aufnahmen führten seitdem ein relativ unbeachtetes Schattendasein, wenn auch Freunde und Fans die alten Aufnahmen durchaus zu schätzen wussten. Erst jüngst hat die vom Berliner Sender radioeins initiierte Wahl „DIE 100 BESTEN OSTSONGS dies deutlich gezeigt. Unter den Fach-Juroren aus Ost UND West setze sich ihre Schlager-Parodie „Du hast den Farbfilm vergessen“ souverän durch und besetzte Platz 2 der Liste, nur geschlagen vom Über-Hit „Am Fenster“ der Rockband CITY. Keine Schande.
Die politischen Probleme um Biermann und Ninas rebellische Grundeinstellung sorgten dafür, dass es die damaligen Aufnahmen bestenfalls als Single-Veröffentlichungen gegeben hat. Eine komplette LP hat das Staatslabel AMIGA damals weder gewollt noch unterstützt. Das ist heute anders. AMIGA ist unter dem Dach von Sony Music längst von staatlichen Zwängen befreit und zum Jubiläum erscheinen nun erstmals alle AMIGA-Aufnahmen auf einem Album. Darunter natürlich der bekannte „Farbfilm“, vor allem aber auch 13 weitere Aufnahmen, von denen einige zurecht als Sensation angepriesen werden können.
„Zieh die Schuhe“ aus, z.B., ein nur unter Kundigen bekannter Song aus dem 1976er DEFA Film „Hostess“. Der ungewöhnlich betitelte Song hat alles, was Nina Hagen später ausmachen würde. Eingespielt mit der Art-Rock Band „Stern-Combo-Meißen“ ist ein beeindruckendes Prog-Rock Opus entstanden, das hier erstmals richtig gewürdigt wird. Als Vorabbote des Albums ab sofort bei allen Streaming Services anzuhören und für Vorbesteller des digitalen Albums als Sofortdownload verfügbar.
Weitere Highlights sind sicherlich das im Dialekt vorgetragene fast prophetische Lied „Ich bin so alt“. Seinerzeit eine Parodie, heute keinesfalls als Anspielung, sondern als Ehrung zu sehen – und zudem bisher fast gänzlich unmöglich zu finden.
Überraschen wird die meisten auch der Titel „Rangehn“. Ein Song, den wohl jeder im Ohr haben dürfte. Die hier vorliegende Version allerdings bietet die grandiose Chance die Entstehung eines Superhits nachzuvollziehen. Die bisher gut versteckte Frühversion dieses Klassikers allein lohnt die Anschaffung des Albums.
Der freche Titelsong „Was denn…?“, das zappaeske “He, wir fahren auf’s Land”, die Funk-Rock Aufforderung „Komm, komm“ oder die punkige Erkenntnis „Das kommt, weil ich so schön bin“ beinhalten alle Elemente, die wenig später den Nina Hagen Stil definieren sollten. Genreübergreifende, treibende Rocksongs mit stimmlichen Eskapaden, die klarmachen, wie sich Nina Hagen den Titel „Godmother of Punk“ erarbeiten konnte.
Was denn? So ist das! Gratulation Nina Hagen!
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