Wenn es um Ostrock geht, kann es vor allem nur vier große Namen geben: Puhdys, City, Karat und Silly. Zu DDR-Zeiten wurden die Puhdys allein zwölfmal zur beliebtesten Rockband des Landes gewählt. City stehen wie kaum eine andere Band für die Qualität des Ostrocks. Karat kreierten neben vielen Hits den Megahit „Über sieben Brücken“ und Silly stehen für Ehrlichkeit und kritische Texte. Alle vier finden sich nun auf der Compilation „Die Legenden des Ostrock“ mit ihren größten Hits vereint – ein wahres Monument der deutschen Rockgeschichte.
Text: Christian Hentschel
Als der Rock’n’Roll-Virus, verursacht vor allem durch die Beatles und die Rolling Stones, seinen weltweiten Siegeszug antrat, war auch die DDR-Grenze löchrig genug, um in den Kultur- und Wirtshäusern zwischen Rostock und Suhl seine Bahnen zu ziehen. Jene Welle schwappte mit einer solchen Wucht über die Mauer, so dass sie trotz vieler Verbote, die es anfangs zuhauf und später immer mal wieder gab, nicht mehr aufzuhalten war. Allerdings war die ostdeutsche Antwort auf den Rock’n’Roll von starken Reglementierungen betroffen. So waren nicht nur englische Bandnamen verpönt, sondern jeder Musiker benötigte eine offizielle Spielerlaubnis, die es dann gab, wenn man den Abschluss einer Musikschule vorweisen konnte. Ziemlich hirnrissig, aber mit dem großartigen Nebeneffekt, dass in den meisten Ostrockbands Musiker am Start waren, die ihr Handwerk beherrschten. Nicht zuletzt bestand die Obrigkeit darauf, dass die Songs in deutscher Sprache gesungen werden. Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger noch ein undenkbares Ding und eine absolute Frechheit, die Bands dermaßen zu gängeln. Aber auch eine Vorgabe mit fantastischen Folgen. Denn alsbald fingen die späteren Protagonisten des legendären Ostrocks an, Worte zu finden, die fernab eines jeden Schlagers sind und zeitgleich mitunter zwischen den Zeilen Botschaften versteckten, die zwar jede Zensur passierten und dennoch Herz und Hirn ihrer zahlreichen Hörer erreichten. Ein Qualitätslevel, das bis heute Gültigkeit hat und in der Geschichte der gesamtdeutschen Popularmusik einmalig ist.
Über die Grenzen hinaus erfolgreich
Nachzuhören auf der neuen Doppel-CD „Legenden des Ostrocks“, die die vier erfolgreichsten Bands dieses Genres vereint: die PUHDYS, CITY, KARAT und SILLY. Die PUHDYS spielten ihr erstes Konzert bereits im November 1969 und avancierten in den Siebzigern und Achtzigern zur erfolgreichsten Band des Ostens. Von ebensolcher Wichtigkeit sind CITY und KARAT, die ebenfalls in den Siebzigern ihren Siegeszug antraten. SILLY gesellten sich in den Achtzigern in die Erfolgsliga dazu und prägten das Jahrzehnt wie keine zweiten. Obwohl die vier Bands jeweils eine ganz eigene Facette des Deutschrocks bedienen, hatten sie die über die Grenzen der DDR hinaus reichende Strahlkraft gemeinsam. Die PUHDYS spielten schon in den Siebzigern zig ausverkaufte Tourneen im Westen des Landes. Auch die Westberliner Waldbühne füllten sie – ganz ohne DDR-Publikum. CITY waren die erste Ostrockband, die im Rockpalast gastierte, ihr Album „Am Fenster“ mit dem gleichnamigen Klassiker heimste Gold in der BRD und in Griechenland ein. KARAT bescherten Peter Maffay seinen größten Hit, als er „Über sieben Brücken“ von ihnen coverte. Mit „Der blaue Planet“ oder „Jede Stunde“ erreichten KARAT selbst das erste Drittel der westdeutschen Singlecharts. Und SILLY konnten noch vor ihrem Amiga-Debüt eine LP in der BRD vorweisen.
Und sie rocken immer noch
Die großen Vier des Ostrocks, von denen übrigens jeweils ein Klassikeralbum auf Vinyl wiederveröffentlicht wird, haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sowohl die PUHDYS als auch CITY, KARAT und SILLY sind immer noch erfolgreich unterwegs, ziehen Tausende in ihre Konzerte. Zwar haben die PUHDYS ihre Auflösung jetzt im 47. Jahr ihres Bestehens wahrgemacht (sie spielen nur noch eine ROCKLEGENDEN-Tour gemeinsam mit CITY und KARAT), doch der Run auf die Tickets für die Soloaktivitäten von den PUHDYS-Köpfen Maschine und Quaster hat längst eingesetzt.
- › Jetzt Kaufen:
Das 36 Songs umfassende Tracklisting der neuen AMIGA-Doppel-CD liest sich wie das Who Is Who der größten Ostrockklassiker. Neben vielen weiteren Songperlen etwa „Der blaue Planet“, „König der Welt“, „Jede Stunde“ und „Über sieben Brücken“ von KARAT, „Wenn ein Mensch lebt“, „Alt wie ein Baum“ und „Das Buch“ von den PUHDYS, „Am Fenster“ und „Casablanca“ von CITY sowie „Mont Klamott“ und „Bataillon d’Amour“ von SILLY. Die liebevoll zusammengestellte Compilation geht dabei noch einen Schritt weiter und berücksichtigt Highlights der vier Bands aus den Neunziger- und Nullerjahren, etwa „Halloween in Ostberlin“ von SILLY, „Wilder Frieden“ von den PUHDYS oder CITY’s „Flieg ich durch die Welt“. Nicht zuletzt ist „Legenden des Ostrock“ ein veritables Erinnerungsstück an die viel zu früh verstorbenen SängerInnen Tamara Danz von SILLY und Herbert Dreilich von KARAT.
Weiterlesen: Puhdys, Silly, City & Karat: Ihre größten Alben neu als LP
- › Jetzt Kaufen:
DIE LEGENDEN DES OSTROCK VOL. 2
Die Doppel-CD “Die Legenden des Ostrock VOL. 2” beleuchtet vier weitere Künstler. Die nicht weniger wichtigen “Helden der 70er”, RENFT (oder auch Klaus-Renft-Combo) und die Stern-Combo Meißen (kurz “Stern Meissen”) sowie die in den 80ern zu Erfolg gekommenen Aushängeschilder der modernen Version des Ostrocks, Pankow und Rockhaus.
Alle vier Bands sind in der DDR bekannt wie der sprichwörtliche “bunte Hund” und deren Songs, z.B. “Wer die Rose ehrt”, “Der Kampf um den Südpol” und “Aufruhr in den Augen” oder “I.L.D.” sind weit über die Grenzen der ehemaligen DDR geläufig. Kein Wunder, dass alle vier Ostrocker immer noch aktiv auf Tour sind.
Weiterlesen: DIE LEGENDEN DES OSTROCK – VOL. 2
- › Jetzt Kaufen: